„Mit dem Einrichten von On-Demand-Verkehren betreten wir im Rhein-Hunsrück-Kreis Neuland“, erklärte Landrat Boch Anfang des Jahres. Mit dem On-Demand-Angebot im Kreis soll der ÖPNV „noch näher an die Kunden“ gebracht werden, kündigte der Landrat des rheinland-pfälzischen Kreises an und erklärte, man wolle so „den ÖPNV bedarfsorientierter ausrichten“. Die Shuttles des On-Demand-Verkehrs sollen im Fahrplanbereich des Stadtgebietes Boppard verkehren. Geplant ist der Einsatz von Kleinbussen, die per App oder Telefon zum ÖPNV-Tarif gebucht werden.
Der Einsatz der On-Demand-Verkehre erfolgt nicht isoliert, sondern steht in Zusammenhang einer Vergabe von 17 Buslinien, die der Landkreis in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsverbund Rhein-Mosel (VRM) durchgeführt hat. Diese Verkehrsleistung umfasst insbesondere das Gebiet der Stadt Boppard mit ihren Höhenstadtteilen und die Anbindung an die Stadt Koblenz sowie den Raum der alten Verbandsgemeinde St. Goar-Oberwesel. Bei der Neuvergabe der Verkehrsleistungen habe man Verbesserungen in der Schülerbeförderung und Optimierungen im Linienverkehr umgesetzt, so der VRM. Der On-Demand-Verkehr ist eine Ergänzung zum Busangebot. Mit ihm soll neben dem klassischen Linienbus ein attraktives ÖPNV-Angebot für geringe Nachfragemengen geschaffen werden, erklärte der Landkreis.
Nach einer europaweiten Ausschreibung ging der Zuschlag an eine Bietergemeinschaft aus den beiden Unternehmen Scherer Reisen Omnibus Gesellschaft aus Gemünden und die DB Regio Bus Mitte aus Mainz hat hierbei den Zuschlag erhalten.
Strategie der DB Regio
Dass die DB Regio an dem Vorhaben im Raum Boppard beteiligt ist, dürfte kein Zufall sein. Bereits im vergangenen Jahr hatte Evelyn Palla, Vorständin Regionalverkehr der Deutschen Bahn, angekündigt, man wolle ab 2030 rund 200 Millionen Reisende im Jahr in eigenen On-Demand-Verkehren befördern. „In Deutschland leben 55 Millionen Einwohner auf dem Land, wo es aktuell deutlich zu wenig ÖPNV gibt“, hatte Palla damals erklärt und das Ziel formuliert, man wolle „den öffentlichen Regionalverkehr so flexibel machen wie das eigene Auto“. Die On-Demand-Verkehre sollen, so die Vorstellungen der DB, unter anderem als Zubringer zum Schienenverkehr dienen.
Mit der DB-Tochter Clevershuttle war der Konzern schon früh in das Segment der On-Demand-Verkehre eingestiegen, anfangs auch eigenwirtschaftlich, was man aber bald weitgehend aufgab. Strategie der DB ist es nun, die On-Demand-Verkehre im Auftrag von Städten, Landkreisen oder Verkehrsverbünden auf die Straße zu bringen und im Auftrag zu fahren. Mit der Kombination Busverkehr und On-Demand-Service kann man den Aufgabenträgern alle Leistungen aus einer Hand bieten. Zudem kann mit Ioki eine weitere Konzerntochter die Software zur Verfügung stellen.
Die Bietergemeinschaft übernimmt die Verkehre ab dem 1. August 2024 für zehn Jahre, der On-Demand-Verkehr startet ein Jahr später zum 1. August 2025.
Für den späteren Start des On-Demand-Verkehrs, ein Jahr nach Beginn der Vertragslaufzeit, gibt es laut Landkreis vor allem zwei Gründe. Zunächst sei laut Kreisverwaltung die Ausführungsfrist für die im August an den Start gehenden neuen ÖPNV-Verkehre „mit etwas mehr als einem halben Jahr sehr knapp bemessen“. Somit habe man den Fokus zuerst auf die Linienverkehre gelegt.
Der zweite Grund ist mehr technischer Natur. Für den On-Demand-Verkehr braucht es spezielle Softwarebestandteile und es müsse „ein entsprechendes Hintergrundsystem eingerichtet werden, um Parallelfahrten zum bestehenden ÖPNV zu vermeiden und Fahrtanfragen zu sammeln“, erklärten die Beteiligten. Daraus ergebe sich die insgesamt längere Vorlaufzeit dieses bedarfsgesteuerten Systems.
Effizienz des ÖPNV steigern
Als eine Lösung für den Ausbau des ÖPNV in der Fläche, sieht man On-Demand-Verkehre auch beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). „In ländlichen Regionen, in denen die Bevölkerungsdichte oft gering ist, ist es für die Landkreise und Gemeinden besonders herausfordernd, bedarfsgerechte Mobilitätsangebote zu bieten. Der klassische Linienbusbetrieb kommt hier schnell an Grenzen, weil häufig die ausreichende Nachfrage fehlt“, sagt Peter Jakubowski, Leiter der Abteilung Raum- und Stadtentwicklung im BBSR.
Laut Jakubowski machen Rufbusse, Anrufsammeltaxis und andere On-Demand-Angebote „Mobilität für die Aufgabenträger besser planbar und steigern zugleich die Effizienz des ÖPNV“. Die Digitalisierung erleichtere zudem die Umsetzung solcher Angebote, die im Grunde ja nichts neues sind.
Das BBSR bietet eine neue Praxishilfe an, die aufzeigt, wie On-Demand-Dienste den Linienverkehr in ländlichen Räumen nachfragegerecht ergänzen können. Dieses „Handbuch zur Planung flexibler Bedienungsformen im ÖPNV“ richtet sich an Planer, die Verkehrsunternehmen, in Landkreisen oder Gemeinden für die Organisation des ÖPNV zuständig sind.
Das Handbuch soll Schritt für Schritt durch Planung, Implementierung und Betrieb von On-Demand-Diensten führen. Das Buch ist modular aufgebaut und jedes Modul enthält Checklisten, mit denen sich die einzelnen Planungsschritte nachvollziehen lassen. Auf der Website des BBSR steht es kostenlos zum Download zur Verfügung.