Verdi hat damit eine Art „neues Normal“ ins Prozedere eingebracht. Denn „traditionsgemäß“ wird beim Verhandlungsauftakt zunächst erst einmal die Branchensituation auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite erörtert, so der WBO. Nachdem Verdi allerdings zum Auftakt gleich einen ganzen Forderungskatalog in den Raum gestellt habe, könne der Verhandlungsauftakt Ende Dezember – noch vor Ablauf der Friedenspflicht am 31.12. – lediglich der Erläuterung der Gewerkschaftsforderungen gedient haben. „Wir sind nicht von einer schnellen Tarifrunde ausgegangen“, sagt WBO-Verhandlungsführer Horst Windeisen. „Lohntarifverhandlungen ohne Streikaktionen, die den Gewerkschaften heute zur Mitgliederwerbung dienen, gehören wohl der Vergangenheit an.“ Der WBO gebe sich diesbezüglich keiner Illusion hin. Dass Verdi aber gleich zu Beginn der Verhandlungen mit teils ganztägigen Arbeitsniederlegungen über zwei Tage auf Konfrontationskurs gehe, raube der anlaufenden Lohntarifrunde alle guten Vorzeichen.
Forderungen überzogen
Nachdem die Arbeitgeberseite die Tariflöhne in Baden-Württembergs privatem Omnibusgewerbe in den letzten 24 Monaten um rund 15 Prozent angehoben hat, halten die Unternehmer die nun geforderte weitere Steigerung um neun Prozent für heillos überzogen. Die 15 Prozent Steigerung habe bereits eine enorme Belastung für die Arbeitgeberseite bedeutet. Dabei liege die Inflationsprognose für 2025 lediglich bei etwas über zwei Prozent. Die Gewerkschaftsforderung von neun Prozent mehr Lohn für das kommende Jahr entbehre daher jeder Grundlage und sei völlig aus der Luft gegriffen, so WBO-Geschäftsführerin Yvonne Hüneburg über die Position der Arbeitgeber.
Verdi scheint das wenig zu beeindrucken. In der vergangenen Woche bestreikten die Gewerkschaftsmitglieder rund 30 Betriebe, darunter ÖPNV-Unternehmen in Tübingen, dem Raum Heilbronn und dem Raum Stuttgart. Am heutigen Montag ist die Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH (SWEG), die als Subunternehmer für die Verkehrsbetriebe Karlsruhe im Einsatz ist, an der Reihe. „Wir rechnen mit einer starken Beeinträchtigung des Linienverkehrs auf den von der SWEG Bus Karlsruhe GmbH bedienten Linien“, hieß es von Verdi-Seite. Weitere Streiks sind zu erwarten.
Oberstes Ziel der betroffenen WBO-Mitglieder sei, die Beeinträchtigungen für die Fahrgäste so gering wie möglich zu halten. „Verhandlungen sollten am Verhandlungstisch und nicht auf der Straße geführt werden“, betont Yvonne Hüneburg. „Von der Gewerkschaft erwarten wir Verantwortungsbewusstsein und Realitätssinn, nur so kommen wir ins Ziel.“