Andreas und Mathias Hirsch von gleichnamigen Reiseunternehmen in Karlsruhe tun das aus Überzeugung. Ihr Anspruch an die Busse, die ihre Kunden bewegen, ist mindestens genauso hoch wie der an die Marke Setra im Allgemeinen. Sie haben deshalb alle Systeme für ihre vier neuen S 515 HD, die das 75-jährige Firmenjubiläum krönen sollten, einbauen lassen. Die Setra-Presseabteilung titelt denn auch auf der Pressemeldung zur feierlichen Übergabe im Kundencenter in Neu-Ulm vollmundig: „Einmal Setra – immer Setra!“ Allein, der Schein trügt: „Die Erfahrungen der ersten Monate waren grundsätzlich positiv, aber eine Sache hat unsere Fahrgäste sehr enttäuscht“, so Andreas Hirsch gegenüber dem Bus Blickpunkt. Was mag das sein? Eine technische Lappalie? Der falsche USB-Stecker am Sitz? Nein es geht um etwas sehr Grundsätzliches für den Passagiergenuss: den Sitzkomfort! Was ist passiert? Schließlich ist Setra der letzte europäische Hersteller mit einer nennenswerten eigenen Sitzproduktion in Neu-Ulm. Und das Gestühl kann sich gerade im Reisebusbereich mit allem messen, was auf dem Markt verfügbar ist. So bisher auch unsere Überzeugung. Hirschs Fahrgäste haben aber ein veritables Problem - und das hat die Zahl 4. Um vier Grad weiter nach hinten geneigt sind die Rückenlehnen der hochwertigen Setra „Voyage Plus“ Sitze, die 40-fach in Fünf-Sterne-Entsprechung verbaut sind.

 

Also 22 Grad statt der früheren 18 Grad! Laut der vierseitigen Klassifizierungskriterien der gbk darf der Winkel zwischen 18 und 23 Grad betragen, bei drei Grad Toleranz. Die Folge von der scheinbaren Petitesse? „Wir haben tatsächlich mit erheblichen Reklamationen zu kämpfen, weil die stärkere Neigung der Sitze in Normalstellung vor allem bei kleineren Passagieren zu einer unbequemen und nicht entspannten Sitzhaltung führt,“ erläutert Andreas Hirsch. „Der Kopf liegt nicht an der Rückenlehne an und man versucht sich unwillkürlich aufzurichten, was die Hals- und Brustwirbelsäule nach vorne überstreckt!“
Ohweh, das klingt gar nicht gut für den Setra-Premiumanspruch. Auf der Website heißt es zu den Fauteuils: „Erstklassiger Sitzkomfort hat einen Namen: Setra Voyage. Vor dreizehn Jahren stellte die Marke die rückenschonende Sitzgeneration vor.“ Von „rückenschonend“ kann laut Hirsch aber keine Rede sein. Nur ein Einzelfall eines zu anspruchsvollen Unternehmers, der immerhin eine runde Millionen Euro für vier Busse in die Hand genommen hat? „Ich habe bei unseren Buspartnern nachgefragt und bin auf einhellige Zustimmung gestoßen,“ so Andreas Hirsch. Auch eine Stichprobe bei einem hessischen Premium-Unternehmen hat uns den Eindruck bestätigt: auch hier gebe man vermehrt Kissen aus an die Fahrgäste, um den Rücken zu entlasten. Der offizielle Kundendienstbericht von Setra bestätigt das Problem und zitiert den kürzlich mitgereisten Marketingleiter von Hirsch Reisen, Oliver Possehl: „Ich schlage vor, eine Grundausstattung an Kissen in die Busse zu legen. Das ist wirklich ein Problem, das wir ernst nehmen sollten.“ Durchaus ernst scheint auch der Hintergrund der Änderung der Sitzgeometrie zu sein, die laut Daimler Verkaufsorganisation schon seit 2018 greife. Die aktualisierte Brandschutzverordnung ECE R118.03 verlange neue Materialien für die Klapptische und die wiederum müssten den gesetzlichen Aufpralltest bestehen. Das gehe aber nur mit der neuen Lehnenneigung. Diese könne nur auf den bisherigen 18 Grad verbleiben, wenn man ganz auf die Tische verzichtet, oder die in Deutschland ungeliebten Dreipunktgurte ordere. Hiervon rät aber der Setra-Kundendienst selbst ab, da die Gurtbefestigung wieder als zu stramm und unbequem empfunden werden könnten. Klingt nach Quadratur des Kreises. Hirsch zeigt sich enttäuscht: „Die Begründung scheint uns recht dünn: Es gäbe Homologationsgründe für die Änderung und zu wenige Reklamationen von Seiten der Busunternehmer!“ Stattdessen werde man auf die nächste Busgeneration „vertröstet“, dann wohl eine komplette Neukonstruktion. Uns würde Ihre Meinung zum Thema brennend interessieren!