Am 09. Januar 2017 widmete sich die RTL-Reportagereihe „Team Wallraff“ dem Thema Fernbusse. Unter dem Titel „Team Wallraff – Billigtrends Fernbusse – Wenn die Sicherheit auf der Strecke bleibt“ deckten RTL-Reporter Martin Schulte und Enthüllungsjournalist Günter Wallraff bei ihren Undercover-Recherchen unter anderem angebliche Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeit-Regelungen sowie Sicherheitsmängel bei Fahrzeugen auf.

Univers Reisen verklagt RTL und „Team Wallraff“

Dabei geriet das Image von Flixbus und seinen Buspartnern förmlich unter die Räder, denn die Vorwürfe gegen sie waren massiv. Die Rede war von völlig übermüdeten Busfahrern, gehetzt vom Diktat der Fahrpläne von Flixbus. Für diese Sendung schlüpfte RTL-Reporter Martin Schulte über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren immer wieder undercover in die Rolle als Busfahrer und arbeitete als Aushilfsbusfahrer für verschiedene Flixbus-Partner.

Eines der Busunternehmen, das für Flixbus fährt und in dieser Reportage sein Fett abgekriegt hat, ist Univers Reisen aus Köln. Das wollte Univers-Geschäftsführer Eberhard Penz aber nicht auf sich sitzen lassen und zog vor Gericht. Inzwischen hat Penz beim Landgericht Köln den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die RTL interactive GmbH erwirkt. Folglich ist es zurzeit nicht mehr möglich, diese Sendung im Internet, z.B. auf RTL oder Youtube, anzuschauen. Des Weiteren hat die Rechtsanwältin von Eberhard Penz die RTL Television GmbH aufgefordert eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. Damit soll der Sender verpflichtet werden, nicht der Wahrheit entsprechende Äußerungen zu unterlassen. Wie mir RTL-Reporter und Busfahrer Martin Schulte telefonisch mitteile, habe die RTL Televison GmbH, bei der er beschäftigt ist, der Unterlassung noch nicht zugestimmt.

Worum geht es konkret? RTL-Reporter und Undercover-Busfahrer Martin Schulte hatte in der RTL-Reportage u.a. berichtet, dass er bei seiner letzten Fahrt im Herbst 2016 für Univers nach seiner Berechnung in 4,5 Tagen auf gerade mal 19 Stunden Ruhezeit kommt. Weiterhin behauptete er, „dass die Univers Bus-Service-GmbH mit nicht mehr fahrtauglichen Reifen fahren würde, indem sie diese in der zweiten Reihe versteckt.“ Den Vogel schießt Schulte nach Meinung von Eberhard Penz mit seiner Äußerung ab, „dass sich die Firma Univers bei der Einstellung ihrer Busfahrer nicht derer Qualifikation vergewissert.“ Für Eberhard Penz ein seltsamer Vorwurf. Schließlich habe der Undercover-Mann Schulte eine Kopie seines Führerscheins sowie seiner Fahrerkarte vor seinem Vorstellungsgespräch per Email an Univers geschickt. Ungeheuerlich findet Penz auch die Behauptung, dass Martin Schulte die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Ruhezeit von 9 Stunden während seiner Undercover-Touren mehrmals fahrplanbedingt nicht in Gänze habe in Anspruch nehmen können. Um dies zu beweisen, habe sich Schulte einem anschließenden Fahrerschläfrigkeitstest unterzogen. Dabei habe der Arzt eine Übermüdung festgestellt, die in etwa gleichzusetzen gewesen sei mit einem Alkoholpegel von etwa einem Promille, so Penz. Aus der Sicht von Eberhard Penz hat Martin Schulte diese Situation bewusst herbeigeführt, um das erwünschte Resultat der Recherche zu erzielen. Denn Schulte habe quasi auf eigenen Wunsch zwei Tage lang nicht ausreichend geschlafen. Stattdessen habe er während seiner Ruhezeit gefilmt, also weitergearbeitet, und sich dann „völlig übermüdet hinters Lenkrad gesetzt. Darüber wusste aber keiner von uns Bescheid“, erläutert Penz verärgert. Eberhard Penz hat, nachdem er die Reportage gesehen hatte, gegen Schulte eine Strafanzeige wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr mit Personengefährdung erstattet.

Politik, eine Marketingabteilung von Continental?

Das Bundesland Niedersachsen will die Winterreifenpflicht bei Nutzfahrzeugen auf die vordere Lenkachse ausdehnen. Betroffen wäre davon auch der ÖPNV. Als Begründung für diesen Überraschungsangriff werden Testergebnisse der Fachpresse sowie von Reifenherstellern angegeben. Doch diese Ergebnisse würden sich laut BDO hauptsächlich auf 40-Tonner-Lkw und Lkw-Gespanne beziehen. Im selben Atemzug würden aber auch Fernbusse genannt, so Martin Burkert vom Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) gegenüber Bus Blickpunkt. Burkert vermutet, dass der Fachartikel, der in der Gesetzesbegründung zitiert wird, von Continental selber stammen könnte. Pikant in diesem Kontext: Continental hat seinen Hauptsitz in Niedersachsen. Die Politik als einseitiges Sprachrohr der Interessen eines Wirtschaftsunternehmens?

Die Branchenverbände kritisieren dabei vor allem, dass diese Gesetzesänderung im Schweinsgalopp durch die Hintertür und ohne Beteiligung der Busbranche durchgezogen werden sollte. „Grundsätzlich seien die Verbände für alles, was der Sicherheit dienlich ist. Aber das müsse erst nachgewiesen werden. Dazu gibt es wohl eine BASt-Untersuchung (Bundesamt für Straßenverkehr). Man solle doch erst mal diese Ergebnisse abwarten, bevor voreilige Entscheidungen getroffen werden“, so WBO-Mann Burkert.